De-minimis Beihilfen
1. Was ist De-minimis?
Im Wettbewerbsrecht der Europäischen Union wird die De-minimis-Regel erwähnt. Innerhalb unseres Wirtschaftsraums sollen Subventionen nicht zu bedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen. Subventionen sind sogar laut Vertrag über die Europäische Arbeitsweise verboten. Wie so oft im Rechtsbereich gibt es davon zahlreiche Ausnahmen.
Wörtlich bedeutet De-minimis in etwa “um Kleinigkeiten“. Damit sind Gruppen von relativ kleinen bzw. niedrigvolumigen Subventionen gemeint, die als nicht wettbewerbsverzerrend angesehen und damit akzeptiert werden. In der Praxis sind De-minimis-Beihilfen sogar sehr weit verbreitet. Die Wortwahl um Kleinigkeiten wird insbesondere vor dem Hintergrund der De-minimis-Grenze von i.d.R. 200.000 EUR Subventionswert je 3 rollierenden Kalenderjahren deutlich. Praktisch dürften die allermeisten Unternehmen nach De-minimis pro Jahr rein rechnerisch und rollierend ca. 66.667 EUR Subventionswert, z.B. in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen, ausschöpfen.
Bei Ausschöpfung der De-minimis-Grenze stehen Unternehmen zusätzlich noch die Höchstbeträge nach AGVO und Kleinbeihilfen offen. Eine Verrechnung von Subventionswerten unter den verschiedenen Rechtsrahmen erfolgt nicht.
Natürlich gibt es neben Zuschüssen auch weitere Förderinstrumente wie z.B. Förderkredite, Mezzaninekapital und Bürgschaften, die zu den De-minimis-Beihilfen gezählt werden können. Im Unterschied zu Zuschüssen werden aber diese Förderinstrumente nicht 1:1 auf die De-minimis-Höchstgrenze von 200.000 EUR angerechnet, sondern nur ein geringer Prozentsatz des bewilligten Betrags. Die Berechnung dazu ist komplizierter als bei Zuschüssen, daher wird dies in Kapitel 2 genauer aufgegriffen.
Die De-minimis-Regel kann damit als Rechtsrahmen für die Vergabe von Subventionen erachtet werden. Diese Rechtsrahmen sollen dabei eine Vereinheitlichung für z.B. die Vergabe, Zwecke, Höchstbeträge und Begünstigten für Subventionen innerhalb der EU und unter den Mitgliedsstaaten bringen. Neben der De-minimis-Regel gibt es zudem die AGVO (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) und Kleinbeihilfen als weitere Rechtsrahmen auf EU-Ebene zur vereinheitlichten Vergabe von Subventionen.
AGVO-Beihilfen können z.B. in Bezug auf den gewährten Förderbetrag deutlich über der De-minimis-Grenze liegen. Ein Beispiel für eine Beihilfe nach AGVO ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). Der Zweck der Kleinbeihilfen besteht in der Unterstützung der Wirtschaft angesichts von Covid-19.
Vor dem Hintergrund mehrerer offizieller Rechtsrahmen für die Subventionsvergabe mag es auf den ersten Blick absurd klingen, dass Subventionen offiziell in der EU verboten sind. Der Hintergrund dazu ist aber nachvollziehbar: Subventionen eines EU-Landes führen z.B. dazu, dass der gleiche Industriezweig eines anderen EU-Landes seine Produkte nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten kann.
Ein überspitztes Beispiel: Ein EU-Land gewährt Unternehmen A einen 100 % Zuschuss für betriebsnotwendige Maschinen, Hallen Gebäude, Personal und Marketing. Somit könnte das Unternehmen seine Produkte zu deutlich günstigeren Preisen am Markt anbieten, als das andere Unternehmen aus dem Land B, welches keine Subventionen bietet.
Stoppt nun das Land A die Subventionierung des Unternehmens, ist dieses gezwungen die Preise zu erhöhen aufgrund des Kostendrucks und findet ggf. keine Abnehmer mehr, die einen marktgerechten Preis zahlen. Die übermäßige Subventionierung birgt das Potential, dass sich Verzerrungen im Markt und Ineffizienzen im Unternehmen anhäufen, weil es durch die Subventionierung keinem bis kaum Wettbewerbs- und Kostendruck unterliegt. Das Resultat daraus ist, dass die Konsumenten schlechter dastehen am Ende als ohne Subventionierung.
Teilweise wird ein Förderprogramm nur nach einem der drei Rechtsrahmen vergeben und Sie haben keine Wahl des Rechtsrahmen. So sind zum Beispiel Digital Jetzt & go-digital als Bundesförderprogramme immer eine de-minimis-pflichtige Beihilfe.
In anderen Fällen kann es durchaus sein, dass ein Förderprogramm Ihnen die Wahl lässt, ob Sie die Förderung nach dem einen oder anderen Rechtsrahmen in Anspruch nehmen möchten. Das würde sich zum Beispiel dann positiv auswirken, wenn Sie die Förderhöchstgrenze von De-minimis innerhalb der 3 Jahre erreicht haben und nun noch eine Beihilfe nach AGVO in Anspruch nehmen können.
Es kann auch sein, dass ein Förderprogramm entweder den einen oder den anderen Rechtsrahmen für die Vergabe von Zuwendungen wählt auf Basis der Mittelherkunft. Manchmal kommen die Gelder für ein Förderprogramm z.B. aus einem Bundeslandtopf, manchmal auf einem EU- oder Bundestopf und die jeweiligen Töpfe können verschiedene Rechtsrahmen vorschreiben. Ein Beispiel dafür ist das Förderprogramm BIG-Digital der Investitionsbank Brandenburg, das entweder nach De-minimis oder AGVO vergeben wird. Als Antragsteller haben Sie in diesem Fall keine Wahlmöglichkeit.
Ob eine Förderung nach De-minimis oder nach AGVO vergeben wird, oder alternativ eine Kleinbeihilfe darstellt, sollten Sie immer direkt bei der Förderstelle fragen.
Im Sinne eines ganzheitlichen Fördermittelmanagements für Unternehmen sollten diese immer ein Auge auf die Höchstgrenzen und Kombinierbarkeit der 3 Rechtsrahmen haben.
2. Subventionswert & Höchstbeträge
Insgesamt gibt es bei den De-minimis-Beihilfen 4 Gruppen.
Die erste Gruppe sind die Allgemeinen De-minimis-Beihilfen, welche den allermeisten Unternehmen bis zu 200.000 EUR Subventionswert erlauben innerhalb von 3 Steuerjahren. Dieser Wert wird durch die Allgemeine De-minimis-Verordnung festgelegt.
Eine Ausnahme betrifft Unternehmen des gewerblichen Straßengüterverkehrs. Diese dürfen nur 100.000 EUR Subventionswert in 3 Steuerjahren erhalten je Unternehmen.
Landwirtschaftliche Betriebe hingegen können nur Agrar-De-Minimis-Beihilfen (zweite Gruppe) und Unternehmen aus Fischerei und Aquakultur nur Fisch-de-minimis-Beihilfen (dritte Gruppe) beziehen. Beide Gruppen sind von den allgemeinen De-minimis-Beihilfen ausgeschlossen. Zusätzlich gibt es noch die DAWI-De-minimis-Beihilfen.
DAWI steht wörtlich für Dienstleistungen von Allgemeinem Wirtschaftlichen Interesse. Dies sind Dienstleistungen, die im Interesse der Allgemeinheit (soziale Dienste, Altenpflege..) erbracht werden. Interessant bei DAWI-De-minimis-Beihilfen ggü. allgemeinen De-minimis-Beihilfen ist, dass bis zu 500.000 EUR Subventionswert innerhalb von 3 Steuerjahren zugelassen werden.
Die Agrar-, Fisch- und DAWI-De-minimis Gruppen sind im Kontext von typischen Unternehmenskunden von foerdershop nicht oder selten relevant, daher wird nicht genauer darauf eingegangen.
Bei Erhalt einer De-minimis-Förderung bekommt das begünstigte Unternehmen immer eine De-minimis-Bescheinigung. Diese muss im Original mindestens 10 Jahre aufbewahrt werden und bei Anforderung durch eine Prüfstelle in der Regel innerhalb einer Woche vorgelegt werden können.
Rein rechnerisch ergibt sich bei 200.000 EUR Subventionswert innerhalb von 3 Steuerjahren ein Betrag von ca. 66.667 EUR pro Jahr. Unter der Annahme, dass das Unternehmen nur Zuschüsse ausschöpfen und die Förderungen über die Jahre gleichverteilen möchte, könnte es jedes Jahr den o.g. Betrag erhalten durch öffentliche Stellen.
Alle beantragten oder erhaltenen De-minimis-Beihilfen sind zum Zeitpunkt des Antrags einer Förderung in einer De-minimis-Erklärung anzugeben. Das Formular zur De-minimis-Erklärung wird von der jeweiligen Förderstelle bereitgestellt. Manchmal gibt es dieses Formular nicht bei der Beantragung einer Förderung. In dem Fall ist die De-minimis-Regel nicht relevant.
Der Subventionswert entspricht bei Zuschüssen 1:1 dem gewährten Betrag. Bei Krediten oder Bürgschaften wird statt Subventionswert der Begriff Bruttosubventionsäquivalent verwendet. Das Bruttosubventionsäquivalent drückt die Höhe der Beihilfe aus, wenn Sie als Zuschuss für den Empfänger gewährt worden wäre. Auf die Berechnung des Subventionswerts gehen wir unten ein.
Die 3 Steuerjahre zur Angabe von De-minimis-Förderungen sind rollierend zu betrachten. Es ist immer das aktuelle Steuerjahr gemeint sowie die 2 vorangegangenen. So müsste zum Beispiel ein Antragsteller in der De-minimis-Erklärung am 01.10.2021 alle beantragten oder erhaltenen De-minimis-Beihilfen in 2021, 2020 und 2019 angeben. De-minimis-Beihilfen aus 2018 sind demnach unberücksichtigt zu lassen.
Relevant für die Eintragung ins De-minimis-Konto ist der Zeitpunkt der Ausstellung der De-minimis-Bescheinigung. Beispiel: Für eine in 2018 bewilligte Zuschussförderung, für die der Zuwendungsempfänger zu dem Bewilligungszeitpunkt auch die De-minimis-Bescheinigung erhalten ist, zählt der Wert der gesamten Förderung in 2018. So könnte auch die Auszahlung in späteren Jahren erfolgen, der Auszahlungszeitpunkt hat aber keinen Einfluss mehr auf das De-minimis-Konto.
Unter der Annahme, dass der Antragsteller neben der in 2018 bewilligten Förderung keine weiteren De-minimis-Förderungen beantragt hat, könnte er in 2021 wieder die vollen 200.000 EUR Subventionswert ausschöpfen.
Wie berechnet sich nun ein Subventionswert bei Krediten?
Die Berechnung des Subventionswerts bei Krediten ist komplizierter. Allgemein gesagt, berechnet sich der Subventionswert für einen Kredit aus der Zinsdifferenz zwischen dem bei Zusage aktuellen Marktzinssatz (auch genannt EU-Referenzzinssatz, wird von der EU-Kommission festgelegt) und dem Zinssatz des gewährten Kredits.
Zusätzlich werden dann die Zinsvorteile über die Laufzeit des Kredits abdiskontiert, damit ein Subventionswert zum Zeitpunkt der Bewilligung entsteht, der Ihnen mitgeteilt werden kann.
Da wir (noch) im Niedrigzinsumfeld sind, versprechen Sie sich bitte kein allzu großen Zinsvorteil durch Förderkredite. Auch Banken vergeben Kredite an Unternehmen für Investitionen, vorausgesetzt guter bis sehr guter Bonität, mit weniger als 1 % Zins.
Um mit einem Förderkredit über 200.000 EUR Subventionswert zu gelangen, müssten Sie entweder einen deutlichen Zinsvorteil erhalten oder einen signifikanten Förderkredit aufnehmen (weit über 200.000 EUR Kreditbetrag).
Die Berechnung des Subventionswertes bei Bürgschaften kann direkt durch Sie interaktiv erfolgen. Statt Ihnen die Formel offenzulegen, können Sie den Beihilfewertrechner für Bürgschaften von PwC nutzen.
3. Unternehmensverflechtungen & Unternehmensgröße
Im Fall eines Unternehmensverbunds, z.B. wenn Unternehmen A mindestens 51 % der Anteile an Unternehmen B hält oder durch eine Klausel in den Verträgen einen beherrschenden Einfluss ausübt, werden die erhaltenen und beantragten de-minimis-Beihilfen addiert.
Somit gilt die allgemeine De-minimis-Grenze von 200.000 EUR für den gesamten Unternehmensverbund.
Sollte ein Unternehmen A weniger als 50 % der Anteile an Unternehmen B halten und ist der beherrschende Einfluss ausgeschlossen, so werden beide Unternehmen separat betrachtet für die De-minimis-Berechnung. Es könnten in diesem Fall je Unternehmen 200.000 EUR ausgeschöpft werden.
Hinsichtlich der Unternehmensverflechtungen und Unternehmensgröße muss bei De-minimis-Beihilfen regelmäßig auch auf die Einhaltung der EU-KMU-Definition geachtet werden, damit ein Unternehmen für einen Förderantrag berücksichtigt werden kann.
4. Steuerliche Betrachtung
Für die steuerliche Betrachtung ist nicht der Rechtsrahmen der Zuwendung entscheidend, sondern die Art der Zuwendung. In der Praxis haben Zuschüsse die größte Bedeutung, Förderkredite werden auch nachgefragt. Weniger relevant sind Mezzaninekapital, Bürgschaften und Garantien. In diesem Kapitel konzentrieren wir uns auf die ersten 2 Arten.
Zuschüsse sind Einnahmen und müssen demnach versteuert werden. Einen steuerfreien Zuschuss gibt es im Kontext von Unternehmen selten. Da Sie bei Zuschüssen in den allermeisten Fällen auf der Gegenseite aber auch investieren und somit Ausgaben haben, wird die Bilanz oftmals neutral ausfallen.
Der Zinssatz von Förderkrediten ist regulär vom Gewinn abzuziehen, wie bei anderen Krediten auch. Steuerlich muss der Subventionswert bei Förderdarlehen jedoch nicht in die Gewinnbetrachtung einbezogen werden. Dies wurde auf Nachfrage durch den Steuerberater Herrn Sebastian Kutschelis von der Steuerkanzlei Kutschelis bestätigt.
Autorenprofil & Haftungsausschluss
Dieser Beitrag wurde von Alexander Thiem, Fördermittelberater und Geschäftsführer der DigitalCore Products & Consulting Limited, geschrieben.
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