Horizont Europa – Wiki & Antragstipps für Unternehmen
1. Einordnung von Horizont Europa in die Förderlandschaft
Horizont Europa als Nachfolger des bekannten Förderprogramms Horizont 2020 ist für die Förderperiode 2021 bis 2027 DAS EU-Förderprogramm für Forschung, Entwicklung und Innovation.
Die Antragsberechtigung umfasst nicht nur klassischerweise kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der EU-KMU-Definition, sondern auch Großunternehmen und Konzerne.
Mit einem Budget von insgesamt über 95 Milliarden EUR in Form von Zuschüssen und günstigen Finanzierungsinstrumenten für 2021 bis 2027 steht potentiellen Antragstellern ein noch größerer Fördertopf als das Vorgängerprogramm Horizont 2020 zur Verfügung.
Da die o.g. Fördersumme in aktuellen Preisen ausgegeben wurde, ist bis 2027 mit einem angepassten Budget von über 100 Milliarden EUR aus Sicht des Autors zu rechnen.
Um die Größe von Horizont Europa in einen vergleichenden Kontext zu stellen: In 7 Jahren ZIM (analog zur 7-jährigen Förderperiode) werden durchschnittlich und insgesamt ca. 4 Milliarden EUR Zuwendung laut offiziellem Evaluationsbericht bewilligt. Damit geht Horizont Europa mit deutlich mehr als dem 20-fachen an Mitteln im Vergleich zum größten deutschen Innovationsförderprogramm an den Start.
Horizont Europa ist nicht so einfach durchdringbar wie die meisten Bundes- und Landesfördermittel. Im Gegenteil. Die erfolgreiche Einreichung eines Antrags benötigt meist viel Zeit für die Vorbereitung. Während die Zeitspanne zwischen der Öffnung einer Ausschreibung im offiziellen EU-Funding & Tender Opportunities-Portal und dem letzten Tag der Antragseinreichung bei einer Ausschreibung oft mehrere Monate liegen, sollte die Vorbereitung des Antrags idealerweise vor Öffnung der Ausschreibung beginnen.
Bei Horizont Europa ist es möglich vor Öffnung einer Ausschreibung bereits die zukünftig zu veröffentlichenden Ausschreibungen einzusehen.
Anträge können in der Regel in jeder der offiziellen Landessprachen innerhalb der EU eingereicht werden. Damit der Antrag so effizient wie möglich bearbeitet werden kann, empfiehlt sich eine Anfertigung aller Antragsunterlagen ausschließlich in Englisch.
Da Einzelmaßnahmen in Horizont Europa zwar eingeschränkt möglich, aber der Fokus klar auf Verbundvorhaben zwischen mindestens 3 Partnern aus mindestens 3 unterschiedlichen Mitgliedsstaaten oder assoziierten Staaten liegt, muss der Antrag sämtliche Beiträge einzelner Partner in einem kohärenten Schriftstück vereinen und überzeugend darlegen, wie das geplante Vorhaben den in der Ausschreibung veröffentlichten politischen Zielen gerecht wird. Die wichtigsten Grundbegriffe und den Prozess hierzu finden Sie in Kapitel 4.
Im vorherigen Beitrag zum Überblick über EU-Fördermittel wurde die Aufteilung der EU-Förderlandschaft in 1) geteilte, 2) direkte und 3) indirekte Mittelverwaltung vorgenommen.
Als Reminder:
Bei der 1) geteilten Mittelverwaltung kofinanziert die Europäische Kommission den Fördertopf, aber Förderstellen auf regionaler oder nationaler Ebene verwalten die Gelder und wickeln die Förderungen mit den Unternehmen ab. In der Regel geben die lokalen oder nationalen Ministerium zusätzliche Mittel hinzu und fungieren damit ebenfalls als Kofinanzierer dieser Förderprogramme.
Bei der 2) direkten Mittelverwaltung werden die Förderungen direkt zwischen der Europäischen Kommission und den betreffenden Unternehmen oder Forschungsstellen eingegangen, ohne regionale oder nationale Zwischenstellen.
Und die EU-Fördermittel mit 3) indirekter Mittelverwaltung betreffen humanitäre oder Entwicklungshilfe und sind damit deutlich ferner anzusiedeln von Horizont Europa als z.B. Bundes- oder Landesförderprogramme in Form von geteilter Mittelverwaltung.
Horizont Europa ordnet sich ausschließlich in die Form der direkten Mittelverwaltung (2) ein, was Auswirkungen auf die gesamte administrative Abwicklung der Förderung hat – da z.B. der Vertrag zwischen Antragsteller und Europäischer Kommission direkt in Form eines Grant Agreements geschlossen wird – sowie einen Vergleich weiter unten im Beitrag in Kapitel 5 zu typischen Landes- oder Bundesfördermitteln mit geteilter Mittelverwaltung sinnvoll macht.
Doch zunächst in den folgenden Kapiteln ein grundsätzlicher Überblick zu Horizont Europa.
2. Struktur und Aufbau von Horizont Europa
Horizont Europa besteht aus 3 Säulen:
- Wissenschaftsexzellenz
- Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas
- Innovatives Europa
Die erste Säule fokussiert sich auf eine Stärkung der Mobilität und Zusammenarbeit von Forschenden aus verschiedenen Mitgliedsstaaten. Konkret befinden sich in dieser ersten Säule Wissenschaftsexzellenz, die auch Individualförderungen ermöglicht, 3 Programme:
- Europäischer Forschungsrat
- Marie-Sklodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA)
- Förderung von Forschungsinfrastrukturen
Für Unternehmen ist diese Säule von sehr geringer Relevanz.
Auch die dritte Säule Innovatives Europa, welche den Europäischen Innovationsrat, Europäische Innovationsökosysteme und das Europäische Innovations- und Technologieinstitut umfasst, sind weniger bedeutend für Unternehmen als die zweite Säule.
In der zweiten Säule Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas befinden sich die meisten Zuschüsse für Unternehmen.
Innerhalb dieser zweiten Säule haben wir die Schwerpunkte:
- Gesundheit
- Kultur, Kreativität und inklusive Gesellschaft
- Zivile Sicherheit für die Gesellschaft
- Digitalisierung, Industrie und Weltraum
- Klima, Energie und Mobilität
- Lebensmittel, Bioökonomie, natürliche Ressourcen, Landschaft und Umwelt
Da Horizont Europa so umfangreich ist, wurden in den einzelnen Mitgliedsstaaten Nationale Kontaktstellen (NKS) eingerichtet, die in Deutschland durch das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung und durch den DLR-Projektträger betrieben werden. Die einzelnen nationalen Kontaktstellen bieten neben den offiziellen EU-Verordnungen und Webseiten interessante Informationen.
Jeder der o.g. Schwerpunkte hat dabei eine eigene Nationale Kontaktstelle, die Horizont Europa aus der Sicht des entsprechenden Schwerpunkts beleuchtet.
Neben den Säulen gibt es noch Querschnittsziele wie z.B. Ethik, Klimaschutz, Chancengleichheit und Gender, Open Science und Open Data, Internationale Zusammenarbeit, KMU – die natürlich von Antragstellern berücksichtigt, aber nicht im Zuge eines einführenden Beitrags zu Horizont Europa tiefergreifend behandelt werden.
3. Förderbedingungen
Die Förderquoten betragen zwischen 70 und 100 % der zuwendungsfähigen Kosten. Meistens werden die 100 % bei nicht-profitorientierten Forschungseinrichtungen vergeben. Die maximale Förderhöhe ist abhängig von der Ausschreibung. In der Regel wird ein Maximalbudget innerhalb der Ausschreibung festgelegt und teilweise auch pro Antrag Begrenzungen auf die Mindest- oder maximale Fördersumme gelegt.
Da Horizont Europa den Fokus auf Verbundvorhaben legt und dort ggf. Unternehmen und / oder Forschungseinrichtungen unterschiedliche Förderquoten und damit Eigenanteile aufbringen müssen, sollte eine strategische Überlegung spätestens zur Anfertigung der geplanten Kosten sein, welcher Partner welche Kosten übernimmt.
Durch eine intelligente Ausnutzung von Förderquoten und Kostenverteilungen können somit die insgesamten finanziellen Belastungen der Antragsteller verringert werden.
Da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags mehrere hundert aktive Ausschreibungen in Horizont Europa im offiziellen EU-Portal, sollte eine Einzelfallprüfung erfolgen. Die o.g. 70 bis 100 % beziehen sich nur auf zuwendungsfähige Kosten. Daher sollte im Zuge eines Projekts immer die grundsätzliche Förderfähigkeit bestimmt und anschließend die Kosten in Einzelpositionen je Partner aufgeschlüsselt werden, damit die individuelle voraussichtliche Förderquote ermittelt werden kann.
In Anbetracht des Gesamtvolumens eines Vorhabens und möglicher nicht zuwendungsfähiger Kosten kann die Förderquote auch deutlich unterhalb von 70 oder 100 % liegen. Daher empfiehlt sich wie eingangs erwähnt ausreichende Vorbereitungszeit für einen Horizont Europa Antrag von mindestens 3 Monaten, eher mindestens 6 Monaten, um mögliche Spielräume bei der Kostenverteilung sinnvoll auszunutzen und insgesamt einen überzeugenden Antrag zu formulieren.
4. Antragsprozess Horizont Europa
Die zentrale Anlaufstelle für Ausschreibungen in Horizont Europa ist das Funding & Tender Portal.
Das Thema Funding deckt Zuschüsse ab. Tender sind im Grunde Angebote für mögliche Dienstleister, die z.B. Zuarbeiten leisten möchten. Während Antragsteller sich bei Zuschüssen (Funding) um eine finanzielle Hilfe bei öffentlichen Stellen bewerben, können Lieferanten und Dienstleister im Bereich Tender ihre Produkte, Dienstleistungen oder Expertise kostenpflichtig zur Verfügung stellen.
Das Portal ist nicht nur für Horizont Europa, sondern für sämtliche EU-Programme mit direkter Mittelverwaltung da. Daher muss beim Filter explizit nach Horizont Europa und idealerweise Zuschüsse gesucht werden.
Ausschreibungen können zudem nach geschlossenen, offenen und zukünftig kommenden gefiltert werden.
In Horizont Europa sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags ca. 336 Ausschreibungen offen, 110 folgen in Kürze.
Das geplante Vorhaben sollte den Zielen der Ausschreibung entsprechen. Im Sinne der Antragsvorbereitung sind alle relevanten Dokumente, die im Zuge der Ausschreibung zur Verfügung gestellt werden, aufmerksam durchzulesen. In diesen Dokumenten werden die Mindestanforderungen an den Antrag und dessen Struktur sowie notwendige Dokumente aufgestellt.
Für eine Antragseinreichung muss die Organisation, sowie der einzelne Bearbeiter jeweils registriert werden.
Nach erfolgreicher Sichtung aller Antragsvoraussetzungen sollte eine Planung zur Anfertigung des Antrags gemacht werden.
Auf Deadlines muss unbedingt geachtet werden, da eine Verlängerung der Ausschreibungsfrist nicht möglich ist. Somit empfiehlt sich ein möglichst frühzeitiger Start zur Vorbereitung.
Ein weiteres Dokument, welches im Zuge des Antrags notwendig ist, ist das Grant Agreement zwischen Europäischer Kommission und dem Projektkoordinator.
Allein die kommentierte Version zum Grant Agreement – Annotated Model Grant Agreement genannt – umfasst 185 Seiten.
Einen Horizont Europa Antrag vorzubereiten, zwischen Partnern Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Kosten zu definieren und erfolgreich die Deadlines einzuhalten, ist eine Herkulesaufgabe im Vergleich zu vielen anderen Förderprogrammen – aber die Belohnung sind möglicherweise hohe Millionenförderungen als Zuschuss, die den einzelfallabhängigen Aufwand und Vorgehensweise rechtfertigen können.
5. Abgrenzungen zu anderen Förderprogrammen
Bei Horizont Europa sticht sofort die Größe des Programms und der Fokus auf Verbundvorhaben hervor – entsprechend sollten Einzelvorhaben im Zuge einer Forschung und Entwicklung eher auf passende Bundes- oder Landesförderprogramme schauen.
Auf Bundesebene ist als “Konkurrent” zu Horizont Europa das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) als Förderung in Form von Zuschüssen zu nennen. Bei ZIM sind allerdings nur Unternehmen bis 1000 Mitarbeiter antragsberechtigt und bereits Unternehmen ab 500 Mitarbeiter weisen deutlich geringere Förderquoten als kleinere Unternehmen auf. Somit steht Unternehmen über 1000 Mitarbeitern ZIM nicht mehr als Förderung offen.
Abhängig vom Bundesland werden zudem Innovationsförderungen vergeben, die dem Charakter von ZIM bzw. Horizont Europa in Bezug auf die Innovationshürde ähneln. Signifikante Unterschiede bestehen zwischen Horizont Europa und Bundes- oder Landesförderungen zu Innovation vorrangig darin, dass Vorbereitungszeiten für einen Antrag deutlich kürzer sind bei den Bundes- und Landesförderungen. Erfahrungsgemäß sind zudem die Kommunikationswege bei Landesförderstelle im Besonderen kürzer als bei Stellen auf nationaler oder EU-Ebene.
Große Unternehmen ab 1000 Mitarbeiter mit einem innovativen Vorhaben und der Verbundansatz von mindestens 2 weiteren Partnern und Partnerstruktur, welcher auf mindestens 3 Mitgliedsstaaten oder assoziierten Staaten besteht, sind hingegen bei Horizont Europa deutlich besser als bei ZIM aufgehoben.
Nicht zuletzt steht Unternehmen eine Geltendmachung von Kosten aus Forschung und Entwicklung auch über die Inanspruchnahme der Forschungszulage offen in Form einer steuerlichen Begünstigung.
Ein Unternehmen ist dabei nicht ausschließlich auf eine der o.g. Innovationsförderungen beschränkt. Vor dem Hintergrund des Ausschlusses der Doppelförderung der gleichen Kosten in unterschiedlichen Förderprogrammen ist eine parallele oder sequentielle Inanspruchnahme unter Umständen möglich.
6. Fördermittelberatung zu Horizont Europa & FuE
Das Förderprogramm Horizont Europa wurde in diesem Beitrag zunächst angeschnitten. Neben diesem Förderprogramm bieten sich Unternehmen mögliche Alternativen wie in Kapitel 5 beschrieben.
Für diejenigen, die einen professionellen Fördermitteldienstleister an der Seite haben möchten zur erfolgreichen Identifikation, Beantragung und Auszahlung von Förderungen, ist ein anfänglicher Fördermittelcheck zur Erarbeitung einer individuellen Fördermittelstrategie empfehlenswert.
Autorenprofil & Haftungsausschluss
Dieser Beitrag wurde von Alexander Thiem, Fördermittelberater und Geschäftsführer der DigitalCore Products & Consulting Limited, geschrieben.
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